Detailaufnahme Microwürmchen
Microwürmchen Panagrellus redivivus als zusätzliches Aufzuchtfutter für Jungfische im Aquarium
Viele Aquarianer kennen Microwürmchen und das Interesse steigt oder fällt mit steigenden oder sinkenden Preisen für Artemia. In den letzten Jahren beschäftigen sich auch einige Forschungsgruppen intensiver mit diesen Nematoden, und mehr und mehr wissenschaftliche Artikel über Panagrellus redivivus und dessen Verwendbarkeit als Aufzuchtfutter für Fischlarven sind verfügbar. Diese freilebende Nematode ist bereits seit den 1930er Jahren bei Aquarianern und Amphibienhaltern bekannt und wird vor Allem als Aufzuchtfutter in den ersten Tagen verwendet. Seit einigen Jahren ist eine weitere Art, Panagrellus silusioides, der Walterworm im Umlauf. Diese Art hat ähnliche Kulturansprüche, bleibt aber mit maximal 1,5 mm etwas kleiner als die Microwürmchen.
Lebensweise
Microwürmchen kommen, wie viele Nematoden, im Boden vor. Die Tatsache, dass Microwürmchen auch in Bierdeckeln gefunden wurden, gab ihnen den englischen Namen „beer mat nematode”. Diese Nematoden ernähren sich von Hefen und anderen Mikroorganismen und benötigen keinen Wirt zur Fortpflanzung, sind also nicht parasitär. Microwürmchen bringen lebende Junge zur Welt, die ihrerseits schon nach ca. 3 Tagen geschlechtsreif sind. Je nach Umweltbedingungen werden diese Nematoden zwischen 3-4 Wochen alt und erreichen eine Länge von ca. 2-3 mm.
Verwendung als Lebendfutter
Zum Nährwert von Microwürmchen findet man die unterschiedlichsten Angaben. Die generelle und weit verbreitete Meinung ist, dass Microwürmchen weniger Proteine und mehr Fett als Artemia enthalten. Die unterschiedlichen Angaben zu Proteinzusammensetzung und Fettanteil bei Microwürmchen resultieren daraus, dass unterschiedlichste Kulturmedien verwendet wurden. Das Kulturmedium hat, obwohl die Microwürmchen die Hefen fressen, einen entscheidenden Einfluss auf den Nährwert der Nematoden. Tabelle 1 listet den Nährwert von Microwürmchen in unterschiedlichen Kulturmedien und Artemia auf. Durch Zugabe von Ölen (Sonnenblumenöl, Fischöl), steigt der Fettgehalt und der Proteingehalt nimmt ab. Interessant ist, dass auf Hafermehl kultivierte Microwürmchen einen fast identischen Protein- und Fettgehalt aufweisen, wie die Artemia von Sautter et al (Tabelle 1, Zeile 5), wobei keine näheren Angaben zur verwendeten die Artemia- Spezies zu finden sind. Auch Artemia weisen je nach Herkunft unterschiedliche Nährwerte auf, wie aus der letzten Zeile in Tabelle 1 zu sehen ist. Um auf spezifische Anforderungen der Jungfische einzugehen, kann man also das Kulturmedium entsprechend ändern und mit Ölen oder Vitaminen anreichern.
Tabelle 1: Nährwert von Microwürmchen und Artemia
Kulturmedium | Protein [%] | Fett [%] | Asche [%] |
Hafermehl 1 | 62,8 | 14,0 | 6,5 |
Hafermehl + Sonnenblumenöl 1 | 50,0 | 23,5 | 5,4 |
Synthetisches Medium 1 | 48,3 | 24,4 | 6,0 |
Hefelösung + Glukose 2 | 60,6 | 24,7 | – |
Artemia 2 | 58,5 | 18,6 | – |
Artemia 3 | 37 – 71 | 12 – 30 | 4 – 21 |
(% bezogen auf Trockensubstanz)
Microwürmchen sind schlechte Schwimmer. Bei einer starken Strömung treiben sie für einige Minuten im Wasser, sinken jedoch langsam zu Boden und schlängeln sich dort weiter, bis sie nach einigen Stunden bis Tagen absterben. Daher eignen sie sich nur bedingt für die Fütterung in eingerichteten Aquarien. Die Tatsache, dass die Microwürmchen zu Boden sinken, machen sie aber besonders interessant für die Aufzucht von bodennahen Fischen wie Panzerwelsen, die teilweise Schwierigkeiten haben, lebende Artemia zu fressen.
Kultivierung von Microwürmchen
Wie zuvor erwähnt, hat das Kulturmedium Einfluss auf den Nährwert der Würmchen. Außerdem beeinflusst das Medium auch die Vermehrungsrate. So vermehrten sich die Microwürmchen bei 25°C und 12 Tagen Kulturdauer fast doppelt so stark in Hafermehl + Sonnenblumenöl als im Vergleich zu reinem Hafermehl 1. Im Internet kursieren hunderte Anleitungen und Videos über die beste Kultivierung von Microwürmchen. Ich habe schon verschiedenste Möglichkeiten ausprobiert, und mit der in den folgenden Zeilen beschriebenen Methode, die besten Erfahrungen gemacht.
Ich verwende alte Gurkengläser, die ich auswasche und wiederverwende. Als erstes werden einige Milliliter warmes Leitungswasser ins Glas gegeben, Füllhöhe ca. 1-2 cm. Danach wird etwas Backhefe in das Wasser gestreut und gewartet bis es sich auflöst und eine milchige Suspension entsteht. Der Einfachheit halber verwende ich nur Haferflocken. Ich habe auch schon Hafermark und Mischungen mit Haferflocken probiert, aber keine offensichtlichen Unterschiede in der Ausbeute bemerken können. Jedoch konnte ich Unterschiede bei verschiedenen Haferflocken feststellen. Bewährt haben sich Haferflocken „extrazart“ in einer blauen Verpackung eines Lebensmitteldiskonters. Diese Flocken sind sehr stark gequetscht und haben, im Vergleich zu anderen Haferflocken, eine sehr poröse und lockere Struktur. Nachdem das Glas ca. 2 cm mit Haferflocken befüllt wurde, lasse ich die Flocken einige Minuten quellen. Die Zugabe von mehr Haferflocken wirkt erhöht nur bedingt die Ausbeute, da die meisten Microwürmchen an der Oberfläche des Substrats leben. Danach gebe wird ein halber Teelöffel aus einer alten (aber nicht der ältesten) Kultur hinzugefügt und mit Wasser besprüht, sodass viele Würmchen auf das neue Substrat gespült werden. Das Glas wird mit einem Papiertuch und Gummiring verschlossen. Je nach Temperatur kriechen die Tiere nach 4-7 Tagen bereits an der Innenwand hoch, wie in Abbildung 1 (rechts) zu sehen ist.
Zur Entnahme der Microwürmchen nehme ich einen Pinsel, den ich an der Innenwand entlang streife und danach direkt im jeweiligen Aquarium auswasche. Dadurch gelangt auch immer etwas Substrat (und Ausscheidungen der Würmchen) mit ins Aquarium, aber ich habe bis jetzt noch keine negativen Auswirkungen auf die Fischgesundheit feststellen können, wie es in machen Internetforen behauptet wird. Microwürmchen benötigen zum Überleben Sauerstoff, daher werden die Gläser auch nur mit einem Papiertuch abgedeckt. Durch die rasche Vermehrung zu Beginn der Kultur und die Aktivität der Hefe wird das Milieu zunehmend schlechter für die Microwürmchen und sie beginnen an der Innenwand hoch zu klettern. Bei älteren Ansätzen gebe ich einen würfelförmigen Schwamm auf die Kultur und verschließe das Glas mit dem Deckel, um die Sauerstoffzufuhr zu stoppen. Nach wenigen Stunden kriechen die Würmchen in den Schwamm (Abbildung 2) und können verfüttert werden. Bei frischen Ansätzen ist diese Methode nicht notwendig, da genug Würmchen an der Innenwand hochklettern.
Ein Ansatz hält bei regelmäßiger Befeuchtung (zum Beispiel mittels Sprühflasche) ca. 4 Wochen, wobei die Ausbeute mit zunehmenden Alter der Kultur abnimmt. Ich setze jede Woche zwei neue Kulturen an und werfe die zwei ältesten Kulturen weg. In Summe sind immer 8 Kulturen am Laufen. Dadurch erreiche ich eine gleichmäßige Verfügbarkeit mit Microwürmchen für meine Jungfische. Die Gläser stehen auf einem Regal und sind nebeneinander aufgereiht. Um sich zu merken, welche Ansätze die ältesten sind, stelle ich die neuen Ansätze immer auf die linke Seite des Regals und rücke alle übrigen Gläser nach rechts.
Eine weitere einfache Möglichkeit zur Kultivierung bietet Toastbrot. Ich habe damit jedoch nur mittelmäßig gute Erfahrungen gemacht. Deutlich weniger Würmchen kletterten bei dieser Kultur die Innenwand hoch. Zudem wurde die Kultur mit der Zeit flüssig und es roch auch etwas unangenehmer als gleich alte Haferflockenkulturen.
Hat man ein bisschen Freude am Experimentieren, kann man verschiedenste Kulturmethoden ausprobieren, Anleitungen dazu findet man im Internet. Dabei sollte man jedoch immer im Hinterkopf behalten, dass der Nährwert beeinflusst wird. Ein weiterer Vorteil von selbst gezüchteten Kulturen im Allgemeinen ist, dass Krankheiten und Parasiten nicht in die Aquarien eingeschleppt werden, wie es manchmal mit Tümpelfutter vorkommen kann. Auch ist man unabhängig von der Witterung und Jahreszeit. Für die Aufzucht von Guppys sind Microwürmchen meines Erachtens sehr gut geeignet und stellen eine gern gefressene Ergänzung im Speiseplan dar.
Text und Fotos: Markus Hackl
Quellen und weiterführende Links
- Schlechtriem, C. et al. The suitability of the free-living nematode Panagrellus redivivus as live food for first-feeding fish larvae. J. Appl. Ichthyol. (2004)
- Sautter, J. et al. Panagrellus redivivus (Linné) as a live food organism in the early rearing of the catfish Synodontis petricola (Matthes). Aquaculture Research. (2007)
- Wikipedia: Aquaculture of brine shrimp. https://en.wikipedia.org/wiki/Aquaculture_of_brine_shrimp#cite_note-R11-6.
http://nematodeworms.blogspot.co.at/2014/09/panagrellus-redivivus-german-beer-mat.html
http://www.livefoodcultures.com/microworms_printversion.html
http://www.kakerlakenparade.de/mikrowuermchen.html
http://www.fishgobble.com/product/walter-worm
Abbildung 1: Microwürmchenansatz mit Haferflocken
Abbildung 2: Detailaufnahme einer Kultur und Entnahme der Microwürmchen mit einem Schwamm